Universitätsmedizin Mainz eröffnet deutschlandweit erste Vorhofflimmer-Unit

Diagnostik- und Therapieeinheit zur Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern

14.10.2014

In Deutschland leiden fast 1,8 Millionen Menschen an Vorhofflimmern. Es handelt sich dabei um die häufigste und klinisch bedeutsamste Herzrhythmusstörung. Atemnot, eine plötzlich aufsteigende Wärme im Kopf, ein beklemmendes Gefühl in der Brust und ein Herz, das sprichwörtlich bis zum Halse schlägt. So beschreiben viele Patienten ihren ersten Anfall von Vorhofflimmern, das unbehandelt lebensbedrohliche Folgeerkrankungen nach sich ziehen und Schlaganfälle oder Organinfarkte auslösen kann. Die Früherkennung von Vorhofflimmern und auch die Einleitung einer optimalen Therapie rücken verstärkt in den Vordergrund und sind somit auch der zentrale Impuls für die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die erste Vorhofflimmer-Unit Deutschlands einzurichten.

"In unserer alternden Gesellschaft steigt die Zahl der von Vorhofflimmern Betroffenen von Jahr zu Jahr. Als auf Hochleistungsmedizin fokussiertes Krankenhaus der Supramaximalversorgung ist es unser Anspruch, mit der Vorhofflimmer-Unit eine auf Früherkennung ausgerichtete Diagnostik- und Therapieeinheit zu etablieren, die helfen wird, die gravierenden Folgeerkrankungen zu minimieren", erklärt die Vorstandsvorsitzende und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Babette Simon.

Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Patienten, die an Vorhofflimmern leiden, in den nächsten 20 Jahren verdreifachen wird. Dabei steigt das Risiko, an Vorhofflimmern zu erkranken, mit dem Alter exponentiell an. Während in der Altersgruppe der über 60-Jährigen bis zu 4 Prozent der Bevölkerung an Vorhofflimmern leiden, sind es bei den über 80-Jährigen schon zwischen 10 und 15 Prozent. Neben dem Alter als bedeutendstem Risikofaktor sind vor allem Menschen betroffen, die an Bluthochdruck, Diabetes oder einer Schilddrüsenüberfunktion leiden. Häufig geht die Herzrhythmusstörung auch mit anderen grundlegenden Herzkrankheiten wie einer Herzschwäche oder Herzklappenfehlern einher.

Die Hälfte der Betroffenen bemerken nicht, dass sie an Vorhofflimmern leiden, weil die Herzrhythmusstörung ohne Beschwerden auftritt. Die andere Hälfte wird dagegen mit den typischen Anzeichen konfrontiert, wie einem völlig unregelmäßigen Puls, Herzstolpern, Atemnot und Angstgefühl. Die Herzrhythmusstörung ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, kann jedoch schwerwiegende Komplikationen wie beispielsweise einen Schlaganfall nach sich ziehen. Denn bei Vorhofflimmern besteht die Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln im Herzen, die sich ablösen und mit dem arteriellen Blutstrom ins Gehirn gelangen können. Dort verstopfen sie ein Blutgefäß, was einen Schlaganfall auslöst.

Mindestens 15 Prozent aller Schlaganfälle sind auf Vorhofflimmern, die häufigste Herzrhythmusstörung, zurückzuführen. Das sind fast 40.000 Schlaganfälle pro Jahr in Deutschland. Das Risiko eines Schlaganfalls lässt sich durch blutgerinnungshemmende Medikamente in erheblichem Maße verringern. Sofern Patienten bereits bestehende Herzerkrankungen haben, kann Vorhofflimmern das vorgeschädigte Herz zusätzlich belasten und die Pumpschwäche des Herzens verstärken. Vor diesem Hintergrund spielt die Früherkennung von Vorhofflimmern eine wichtige Rolle, um präventive Maßnahmen einleiten zu können.

Die neue Vorhofflimmer-Unit an der Universitätsmedizin Mainz soll der Akut- und Erstversorgung von Patienten mit Vorhofflimmern dienen, dem ein logistisch sehr aufwendiges Krankheitsbild zugrunde liegt. Die Unit umfasst vier Betten unter kardiologischer Leitung und ist mit speziell geschultem Personal sowie einer komplexen Monitoranlage ausgestattet, um kritische Situationen sofort erfassen zu können. Die folgenden Maßnahmen können sofort eingeleitet werden: eine Schluckechountersuchung (TEE) zum Ausschluss von Blutgerinnseln im linken Vorhof und eine sogenannte Kardioversion, um die Patienten wieder in einen stabilen Sinus-Rhythmus zu versetzen. Je nach Verlauf wird der Patient dann nach entsprechender Überwachung entlassen oder stationär weiterbehandelt – beispielsweise mittels einer interventionellen Therapie in Form einer Katheterablation. Für die Überwachung und Behandlung in der Vorhofflimmer-Unit steht eine 24-Stunden-Rufbereitschaft zur Verfügung. Räumlich ist die neue Unit derzeit auf der rhythmologischen Station untergebracht, ist also einerseits in die Station integriert, in der Patienten mit Vorhofflimmern ohnehin behandelt werden und befindet sich andererseits in unmittelbarer Nähe zur Chest Pain Unit (CPU), der Notaufnahme für Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt. Dadurch, dass Patienten mit einer Vorhofflimmer-Problematik künftig direkt in der neuen Notfalleinheit behandelt werden, soll die Chest Pain Unit entlastet werden.

"Die Vorhofflimmer-Unit wird, wie auch die Erfahrungen mit unserer Chest Pain Unit gezeigt haben, uns helfen, Patienten mit dieser häufigen und komplexen Rhythmusstörung schnell und effizient behandeln zu können", so der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Thomas Münzel. Die Vorhofflimmer-Unit wird von Prof. Dr. Thomas Rostock, Leiter der Abteilung für Elektrophysiologie, geleitet. Ein großer Schwerpunkt der Abteilung für Elektrophysiologie ist die Behandlung von Vorhofflimmern in allen Facetten. Die neue Unit ist daher eine folgerichtige Weiterentwicklung dieses Schwerpunkts, um Patienten mit Vorhofflimmern noch frühzeitiger und damit optimaler behandeln zu können und sie vor Folgeerkrankungen wie dem Schlaganfall zu schützen.

"Ich habe es mir nicht nehmen lassen, zur Eröffnung der bundesweit ersten Vorhofflimmer-Unit hier nach Mainz zu kommen. Die Deutsche Herzstiftung unterstützt diesen Modellversuch und wird ihn eng begleiten", so Prof. Dr. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung e.V. "Diese Unit wird dafür sorgen, dass das Vorgehen bei Vorhofflimmern vereinheitlicht wird, nicht zuletzt um die begleitenden Erkrankungen zu diagnostizieren und den Patienten rasch wieder in seinen Alltag zu entlassen."