Mainzer Wissenschaftler entschlüsseln Mechanismen der Zellorientierung im Gehirn

Protein NG2 vermittelt gezielte Zellausrichtung zu Läsionen / Veröffentlichung im renommierten Journal of Neuroscience

31.07.2013

Wird das Gewebe des zentralen Nervensystems verletzt, wandern Oligodendrozyten-Vorläuferzellen, sog. OPC (oligodendrocyte progenitor cells), vermehrt an die Wundstelle und tragen dort sowohl zur Wundreaktion als auch zur Neusynthese von geschädigtem Myelin bei. Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Zellbiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun in einer Studie entdeckt, dass die gezielte Ausrichtung und Bewegung der OPC hin zur Schnittläsion durch ein bestimmtes Protein reguliert wird. Dieses Protein NG2, das auf der Oberfläche von OPC sitzt und mit deren Reifung zu Oligodendrozyten schwindet, hat somit maßgeblichen Einfluss auf den Prozess der Wundreaktion und die Neusynthese von Myelin nach Verletzung. Die Ergebnisse ihrer Forschung haben die Mainzer Zellbiologen kürzlich im international renommierten Journal of Neuroscience veröffentlicht.

Anders als Oligodendrozyten bilden deren Vorläuferzellen noch keine Myelinhülle, die die Axone vieler Nervenfasern elektrisch isoliert. Im Falle einer Läsion des Nervengewebes senden verschiedene Zelltypen Signalmoleküle aus. Auf einige dieser "Lockstoffe" reagieren die Vorläuferzellen in Abhängigkeit von NG2. "In zellbiologischen Experimenten konnten wir nachweisen, dass NG2 die OPC auf die Verletzungsstelle hin ausrichtet und so die Wanderung der Zelle zur Wundstelle gewährleistet", erklärt Dr. Fabien Binamé, Erstautor der Studie. Binamé forscht derzeit mit Finanzierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in der Abteilung Molekulare Zellbiologie unter Leitung von Prof. Dr. Jacqueline Trotter.

"Die Funktion und Wirkungsweise von NG2 ist uns noch nicht vollständig bekannt", ergänzt Dominik Sakry, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Es scheint aber so, als ob dieser spezielle Wirkungsmechanismus von NG2 abhängig von der Beschädigung des Nervensystems ist."

Verschiedene Erkrankungen gehen mit einer Beschädigung des Gewebes und einer Reaktion der OPC einher. "Die in der jetzt vorgelegten Studie dargelegten Erkenntnisse zu grundlegenden Mechanismen der Zellorientierung könnten letztendlich für die Reparatur von geschädigtem, demyelinisiertem Gewebe bei Multiple Sklerose wichtig werden oder auch Anwendung finden, wenn es darum geht, stark streuende NG2-enthaltende Hirntumore nachhaltiger zu behandeln", so Prof. Dr. Jacqueline Trotter, Leiterin der Abteilung Molekulare Zellbiologie der JGU.