Mainzer Kunsthistoriker an neuem Akademieprojekt zur Geschichte der Residenzstädte beteiligt

Kulturwissenschaftliches Langzeitprojekt untersucht Interaktion zwischen Bürgertum und Hofgesellschaft im städtischen Raum

03.02.2012

Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hat grünes Licht für ein neues kulturwissenschaftliches Langzeitforschungsprojekt erhalten, an dessen Antragstellung und Leitung auch der Mainzer Kunsthistoriker Prof. Dr. Matthias Müller beteiligt ist. Das ab Januar 2012 für eine Laufzeit von 14 Jahren und mit einem Gesamtvolumen von €5,8 Mio. bewilligte Projekt trägt den Titel "Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800) – Urbanität im integrativen und konkurrierenden Beziehungsgefüge von Herrschaft und Gemeinde" und wurde auf Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) in das Akademienprogramm der acht deutschen Wissenschaftsakademien aufgenommen. Es untersucht für die Zeit vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit aus sozial-, wirtschafts-, kultur- und kunsthistorischer Perspektive die Interaktion zwischen Bürgertum und Hofgesellschaft im städtischen Raum. Ziel ist es, die Stadt- und Urbanisierungsgeschichte der Vormoderne in erheblichem Umfang auf neue Grundlagen zu stellen.

Das Gesamtprojekt, an dem neben Prof. Dr. Matthias Müller die Kieler Historiker Prof. Dr. Gerhard Fouquet, Prof. Dr. Olaf Mörke und Prof. Dr. Werner Paravicini beteiligt sind, ist an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angesiedelt. Für mehrere Mitarbeiter der Kieler Arbeitsstelle wird Prof. Müller am Institut für Kunstgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) die fachliche Betreuung übernehmen. Das Akademienprogramm ist das größte deutsche Forschungsprogramm in den Geisteswissenschaften, das von Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird.

Inhaltlich wendet sich das Forschungsprojekt in einem umfassenden Zugriff der Erforschung von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Residenzstädten zu, die zwischen dem 14. und dem frühen 19. Jahrhundert ein wichtiges Element der europäischen Urbanisierungsprozesse, der Verklammerung städtischer und adlig-höfischer Lebensformen, der Entfaltung feudaler Herrschaft und vormoderner Staatlichkeit bildeten. Für den methodischen Ansatz des Projekts grundlegend sind zum einen die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Verfassungsgeschichte und Kunstgeschichte als besonderer, in einem übergreifenden Sinn sozial- und kulturgeschichtlich orientierter Forschungsmodus; zweitens die bislang kaum geleistete Berücksichtigung der quantitativ dominierenden kleinen Verhältnisse außerhalb der großen Residenzstädte; zum Dritten als zentrale forschungsleitende These die Beobachtung eines langdauernden Verhältnisses konkurrierender Komplementarität und Integration von höfischer und stadtbürgerlicher Kultur. Der Untersuchungsraum wird durch die Grenzen des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reiches bestimmt, die das Projekt in eine genuin europäische Perspektive rücken.

Ziel des neuen Forschungsprojekts der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ist die Erarbeitung eines mehrbändigen analytisch-systematischen Handbuchs, das auch online zur Verfügung stehen wird. Neben dem Handbuch sind weitere Publikationen, Tagungen und die Einbindung projektbezogener Dissertationen sowie Habilitationen geplant, die sich im Laufe des Projekts thematisch ergeben.