3-D-Drucker liefert Mainzer Zahnmedizinern exakte patientenspezifische Modelle

Abbildung kleinster anatomischer Strukturen ermöglicht Optimierung individualisierter Medizin

30.01.2015

In der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) entstehen am eigenen 3-D-Drucker individuelle dreidimensionale Patientenmodelle, die selbst kleinste anatomische Strukturen, wie fein verästeltes Knochengewebe, abbilden. Anhand dieser Modelle können die Mediziner beispielsweise durch Tumorleiden bedingte Kiefer-, Kopf- oder Gesichtsrekonstruktionen operativ besser planen und Transplantate präziser anpassen. Das neuartige Vorgehen optimiert die individualisierte Medizin in der MKG und hat sowohl für die Patienten als auch für die Mediziner Vorteile. Die Operateure kennen ihr Operationsfeld bereits und können dank optimierter Planung und vorgefertigter Schablonen sozusagen originalgetreu arbeiten. Dadurch reduziert sich die Operations- und Narkosezeit für die Patienten, die Genesung beschleunigt sich und Funktion und Ästhetik verbessern sich. Zudem schont das Verfahren Knochensubstanz, umliegendes Gewebe und Zahnfleisch. Es ist für jede Patientengruppe anwendbar, jedoch insbesondere für Fehlbildungschirurgie und Kieferdefekte geeignet.

Die 3-D-Drucktechnik ist eine technische Revolution, die auch für den medizinischen Bereich herausragende Einsatzmöglichkeiten und die Chance auf völlig neuartige Behandlungsmethoden bietet. Dabei ist das zugrunde liegende Prinzip relativ simpel. Basierend auf Aufnahmen aus medizinischen Bildgebungsverfahren wie Computertomografie (CT), Röntgen oder Magnetresonanztomografie (MRT) lassen sich exakte patientenspezifische Modelle und damit detailgetreue Schablonen erstellen und dreidimensional drucken. Bei einer Kieferrekonstruktion beispielsweise, bei der ein Stück des Wadenbeins entfernt wird, um die Lücke im Kiefer zu schließen, druckt der 3-D-Drucker ein exaktes Modell des Kiefers und des Wadenbeins. Daran kann der behandelnde Arzt die Operation im Vorfeld gedanklich detailgetreu durchspielen. Dies ermöglicht es ihm, die Rekonstruktion ganz individuell auf den Patienten abgestimmt zu planen und diese Planung mithilfe von Schablonen während der Operation umzusetzen. Direkt vor Ort angewendet, bringt der Einsatz dieser revolutionären Technik zudem zeitliche Vorteile. Die Mediziner der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz können mittels ihres eigenen, neu angeschafften 3-D-Druckers nun bereits innerhalb von vier Tagen eine Defektrekonstruktion planen. Bislang benötigten derartige Verfahren durch die Zusammenarbeit mit externen Unternehmen in der Regel mehrere Wochen.

Wissenschaftlich interessant ist die 3-D-Drucktechnik zudem für den Bereich der regenerativen Medizin, in dem es um die Frage geht, wie Gewebe und Zellen mit körperfremden Materialien und Oberflächen interagieren. Noch stellt die Wechselwirkung von künstlichen Implantaten mit dem menschlichen Körper für fast alle chirurgischen Disziplinen eine große Herausforderung dar, da sowohl eine zu schwache oder fehlende Anhaftung der Implantate als auch Abwehrreaktionen des Körpers den Behandlungserfolg beispielsweise von künstlichen Gelenken, Herzschrittmachern, Gefäßprothesen oder von Zahnersatz beeinträchtigen können.

Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Sprecher des Forschungsschwerpunkts "BiomaTiCS – Biomaterials, Tissues and Cells in Science" der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Leitender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen der Universitätsmedizin Mainz, freut sich, dass mit dem Einsatz des 3-D-Druckverfahrens viele Mosaiksteine aus der Forschung zum Wohle der Patienten zusammenfließen. "Hier gelingt uns der Brückenschlag zwischen Forschung und Anwendung. Der 3-D-Drucker ermöglicht uns einerseits kurzfristige und exakte Rekonstruktionsplanungen für unsere Patienten, andererseits ist diese Technik die Verbindung zu anderen BiomaTiCS- Arbeitsgruppen im Bestreben, innovative Baumaterialen für Implantationen und Rekonstruktionen herzustellen."

An der Universitätsmedizin Mainz haben sich in den vergangenen Jahren eine Reihe von Arbeitsgruppen klinisch und wissenschaftlich tätiger Chirurgen etabliert, die sich in interdisziplinären und translationalen Projekten mit der Interaktion von Geweben und Zellen mit körperfremden Materialien befassen. Gemeinsam mit den Materialwissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung sowie den Instituten für Angewandte Struktur- und Mikroanalytik, für Physiologische Chemie und für Pathobiochemie der Universitätsmedizin Mainz erforschen sie im Rahmen des Forschungsschwerpunkts "BiomaTiCS – Biomaterials, Tissues and Cells in Science" anwendungsorientiert den funktionellen Einsatz, die Geweberegeneration und responsive Systeme.